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erstellt am:
06.04.2020
Neue Osnabrücker Zeitung vom 01.04.2020 - Thomas Pertz
Lingen Nach der Corona-Infektion eines Mitarbeiters in der Außenabteilung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lingen in Groß Hesepe hat Anstaltsleiter Meik Portmann Kritik an der Abteilung zurückgewiesen.
„Die hygienischen Rahmenbedingungen sowie die medizinische Versorgung für die Gefangenen funktionieren – auch vor dem Hintergrund der gestiegenen Anforderungen durch das Coronavirus – gut“, sagte Portmann im Interview mit der Redaktion.
Herr Portmann, nach der Corona-Infektion eines Mitarbeiters in Groß Hesepe vor 14 Tagen sind Kollegen von ihm in Quarantäne geschickt und die Arbeitsbetriebe vorsorglich geschlossen worden. Wie stellt sich die Situation zu Beginn dieser Woche dar?
Ein Mitarbeiter der JVA Lingen Abteilung Groß Hesepe ist vor zwei Wochen positiv auf eine Covid-19-Infektion getestet worden. Dies wurde durch den Bediensteten umgehend angezeigt, sodass sehr zügig mögliche Kontakte mit Bediensteten und Gefangenen identifiziert werden konnten.
Im Rahmen der Abklärung möglicher Infektionsketten wurden weder bei den Bediensteten noch bei den Gefangenen weitere Infektionen diagnostiziert – alle Tests waren negativ.
Gibt es noch Anordnungen von Quarantäne?
Alle Quarantäneanordnungen im Zusammenhang mit dem positiv getesteten Bediensteten sind inzwischen aufgehoben worden bzw. werden – nach aktueller Bewertung der Lage – in den nächsten Tagen auslaufen. Es gibt daher keine Anhaltspunkte, dass sich die Infektionskette in der Abteilung Groß Hesepe fortgesetzt hat. Die besonderen Einschränkungen zur Kontaktreduzierung innerhalb der Abteilung Groß Hesepe, zu denen auch die vorsorgliche Schließung der Betriebe gehörte, werden aktuell überprüft. Es ist geplant, die Betriebe und somit die Arbeitsmöglichkeit für die Gefangenen in den nächsten Tagen wieder anlaufen zu lassen.
Der NDR hat den Osnabrücker Strafverteidiger Thilo Schäck zitiert, der die Zustände in der Außenabteilung, was Sicherheitsmaßnahmen wegen des Coronavirus anbelangt, kritisiert. Wie ist Ihre Position dazu?
Wir sehen uns durch die konsequente Umsetzung des Pandemieplans der JVA Lingen angesichts der dynamischen gesamtgesellschaftlichen Situation gut gerüstet. Wir sehen uns in der Lage, einer möglichen Infektion eines Bediensteten oder eines Gefangenen adäquat zu begegnen, um so eine Ausbreitung der Infektion – insbesondere innerhalb unseres Systems – wirksam entgegentreten zu können. Die von Rechtsanwalt Schäck beschriebenen „Zustände“ in der Abteilung Groß Hesepe kann ich nicht bestätigen. Es fehlen weder Seife noch Desinfektionsmittel. Die Gefangenen unterliegen aktuell – vergleichbar wie alle anderen Bürger derzeit auch – sicherlich Einschränkungen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sowie die medizinische Versorgung für die Gefangenen funktionieren – auch vor dem Hintergrund der gestiegenen Anforderungen durch das Coronavirus – gut.
Sind auch Gefangene getestet worden, und wer hat die Tests durchgeführt?
Bisher wurden bei zwei Gefangenen durch unseren medizinischen Dienst Tests durchgeführt. Bei beiden Gefangenen war der Test negativ.
Nach welchen Vorgaben erfolgen die Tests?
Gefangene werden – ebenso wie die Menschen außerhalb des Vollzuges – entsprechend der Vorgaben des Robert-Koch-Instituts getestet. Allein das Behaupten oder das Vorliegen von Symptomen reicht hier grundsätzlich noch nicht aus.Die jeweiligen medizinischen Dienste der JVA Lingen klären daher jeweils ab, ob es sich um einen begründeten Verdachtsfall, um einen Fall für eine differenzialdiagnostische Abklärung oder um eine offensichtliche sonstige (Erkältungs-) Erkrankung handelt.
Wieviele Inhaftierte befinden sich derzeit in Groß Hesepe, der Hauptanstalt an der Kaiserstraße und im offenen Vollzug in Damaschke?
In der Abteilung Groß Hesepe befinden sich derzeit 247 Gefangene, in der Hauptanstalt sind aktuell 122 Gefangene untergebracht, und in der Abteilung Damaschke sind heute 127 Gefangene inhaftiert.
Wie wird dort der Schutz der Bediensteten und Inhaftierten vor dem Coronavirus gewährleistet?
Der für die JVA Lingen bestehende Pandemieplan zum Schutz der Bediensteten und der Gefangenen wird konsequent umgesetzt. Dieser enthält eine Vielzahl von Regelungen und Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion bzw. gegen die Verbreitung des Erregers.
Was bedeutet das?
Dies bedeutet, dass – vergleichbar mit den Beschränkungen außerhalb des Vollzuges – die Kontaktmöglichkeiten innerhalb der JVA Lingen eingeschränkt wurden. Aber auch die Kontakte nach außen sind begrenzt worden. Dies gibt uns die Gelegenheit, täglich die tatsächliche Lage genau in den Blick zu nehmen und zu analysieren.
Wie müssen sich die Bediensteten und Inhaftierten verhalten?
Für die Bediensteten sind gemäß Pandemieplan eine Vielzahl von Handlungsanweisungen erstellt worden, um sich selbst vor einer Infektion zu schützen und der Verbreitung einer möglichen Infektion entgegenwirken zu können. Diese reichen von den allgemeinen Hygieneregeln bis hin zum Umgang mit einem (potenziell) infizierten Gefangenen. Die Gefangenen wurden über die kontaktbeschränkenden Maßnahmen hinaus umfangreich und mehrsprachig auf die Wichtigkeit der Einhaltung allgemeiner Hygieneregeln hingewiesen. Die Gefangenen, die die Entwicklung außerhalb der JVA natürlich ebenso aufmerksam beobachten wie wir alle, haben sehr deutlich ihr Verständnis für die getroffenen Maßnahmen zum Ausdruck gebracht.
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erstellt am:
06.04.2020